Beim Besuch in Montabaur traf Manuel Höferlin Marcell D’Avis von 1&1.
Gemeinsam mit den Kollegen vom 1&1 Blog setzen wir uns in Artikeln und Interviews mit der Bundestagswahl 2013 und den verschiedenen Facetten der Netzpolitik auseinander. Nach dem SPD-Abgeordneten Lars Klingbeil, CDU-Mann Michael Kretschmer und Tabea Rößner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen wir heute mit Manuel Höferlin (FDP).
Manuel Höferlin wurde am 06.02.1973 in Paris geboren und wohnt mit seiner Familie in Harxheim, Rheinland-Pfalz. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages; ordentliches Mitglied im Innenausschuss, im Rechtsausschuss und in der Enquetekommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ sowie Vorsitzender der „AG IT und Netzpolitik“ der FDP-Bundestagsfraktion.
Herr Höferlin, Ihr Fazit nach der ersten Legislaturperiode im Bundestag: Begeistert oder ein bißchen ernüchtert vom Berliner Politikbetrieb?
Wenn ich zurückblicke, kann ich für mich persönlich sagen, dass ich im Berliner Politikbetrieb viel dazu gelernt habe. Ich bin nach wie vor begeistert von Politik, auch wenn es dazu gehört ab und zu ernüchtert zu werden. Politische Meinungsbildung benötigt einfach Zeit. Das ist der Demokratie – wenn Sie so wollen – systemimmanent. Damit es voran geht, ist es wichtig eine stabile Mehrheit und Regierung zu haben – so wie jetzt. Wir haben in diesen vier guten Jahren der christlich-liberalen Koalition viel erreicht und trotzen der Wirtschaftskrise erfolgreich. Meine persönliche Begeisterung und mein Engagement halten weiter an.
Sie dürfen sich zum engsten Kreis einer Politikergruppe zählen, die es im Grunde vor vier Jahren so noch gar nicht gab – den Netzpolitikern. In der Presse wurde zuletzt über den mangelnden Einfluss dieser überwiegend jungen Bundestagsabgeordneten, die sich um digitale Themen kümmern, diskutiert. Fühlen Sie sich denn machtlos?
Nein, ich fühle mich nicht machtlos. Im Netz wurde der Netzpolitik Versagen attestiert. Ich teile diese Ansicht nicht. Als einer der Netzpolitiker in der FDP-Bundestagsfraktion bearbeite ich dieses Feld mit meinen Kollegen Jimmy Schulz und Sebastian Blumenthal – mit Erfolg. Wir haben mit der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft eben diese in die Mitte des Bundestages gebracht und wichtige Fragen der Zukunft – fraktionsübergreifend – diskutiert und hart gearbeitet. Als Vorsitzender der Projektgruppe Datenschutz habe ich mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass wir auch gemeinsame, von allen mitgetragene Handlungsempfehlungen gefunden haben.
Netzpolitik ist ein Querschnittsthema. Auch in meiner parlamentarischen Arbeit als Mitglied des Rechtsausschusses und des Innenausschusses habe ich mich intensiv mit den netzpolitischen Fragen der Tagespolitik auseinandergesetzt. Wir haben die Vorratsdatenspeicherung verhindert, den Grundsatz “Löschen statt Sperren” durchgesetzt und auch das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgeglichen gestaltet. Ohne die liberalen Netzpolitiker wäre all das nicht möglich gewesen.
Langfristig erfolgreiche Internetunternehmen sind in Deutschland rar gesät. Sie haben selbst einen unternehmerischen Hintergrund und kümmern sich als Abgeordneter jetzt auch um digitale Gründungspolitik. Was muss Deutschland vom Silicon Valley noch lernen?
Hier sprechen Sie ein „Brot und Butter“-Thema der Liberalen an. Ich würde mir wünschen, dass „the next big thing“ im Internet aus Deutschland kommen würde. Wir haben in Deutschland ganz andere Voraussetzungen als in den Vereinigten Staaten. Aber auch eine andere Unternehmenskultur. Wir müssen auf unseren Stärken aufbauen und Wege finden, die uns auch in der Internet-Branche nach vorne bringt. Mit dem Bundeswirtschaftminister Philipp Rösler werde ich im Mai 2013 auf einer Delegationsreise gerade zu diesem Thema in die USA reisen und dort mit IT-Unternehmen im Silicon Valley über Gründungskultur sprechen. Ich kann mit meinem Hintergrund als IT-Unternehmer die Bedürfnisse und Anliegen der Gründer gut verstehen. Wir werden intensiv schauen, wo wir als Gesetzgeber regulieren müssen oder wo wir gerade nicht regulieren, um ein gründungsfreundliches Klima in Deutschland zu schaffen.
Im Moment wird wieder viel über die sog. Netzneutralität diskutiert, wobei der Begriff selbst noch nicht wirklich geklärt ist. Was heißt für Sie Netzneutralität?
Das Thema Netzneutralität ist kein einfaches Thema. Netzneutralität ist dann gegeben, wenn im Internet innerhalb von Dienstklassen die Pakete gleich behandelt werden. Nur die inhaltsblinde Gleichbehandlung aller Datenströme innerhalb einer Dienstklasse sichert Chancengleichheit. Volumenpakete haben zunächst nichts mit Netzneutralität zu tun. Sie gefährden nicht die Netzneutralität, vorausgesetzt man kann Pakete hinzukaufen. Netzneutralität ist aber wohl dann gefährdet, wenn einzelne Dienste innerhalb einer Dienstklasse vom Anbieter bevorzugt behandelt werden. Es muss auch „best-effort“ drin sein, wenn „best-effort“ drauf steht. Deswegen haben wir in der TKG-Novelle, die 2012 in Kraft getreten ist, auch Netzneutralität gesetzlich abgesichert und bei Verstößen Eingriffsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur geregelt. Auch eine Rechtsverordnung ist dann möglich. Sie können in jedem Fall davon ausgehen, dass gerade wir Netzpolitiker die Entwicklung genau beobachten werden.
Abseits der Netzpolitik: Welche Themen bewegen die Menschen vor der Bundestagswahl 2013, welche werden die Wahl entscheiden?
Natürlich wird die Krise in Europa und die Stabilisierung des Euros eine wichtige Rolle spielen. Nur ein stabiles Europa sichert den Wohlstand in Deutschland. Wir werden die kalte Progression bekämpfen, damit Bürgerinnen und Bürgern das Ersparte nicht aus den Händen rinnt. Der Weg aus der Krise heißt Bildung. Potential darf nicht brach liegen. Bildung schafft Chancen für den Einzelnen und sichert auch in Zukunft eine freie Gesellschaft. Nur eine freie Gesellschaft mit starken Bürgerrechten bietet Raum für individuelle Lebensplanung und freie Entfaltung.
Abschließend: Ihre drei Wünsche für die nächste Legislaturperiode?
Ich wünsche ich mir einen ständigen und eigenständigen „Internet-Ausschuss“ im deutschen Bundestag, der netzpolitische Fragen koordiniert. Denn das hat die Enquete-Kommission gezeigt: Fast alle gesellschaftlich wichtigen Fragen der Zukunft werden durch die Digitalisierung geprägt sein. Weiter wünsche ich mir, dass zur Begegnung des demografischen Wandels auch technische Hilfen und Lösungen Gegenstand der Diskussion werden. Denn diese werden eine entscheidende Rolle für ein freies, selbständiges Leben bis ins hohe Alter spielen. Drittens wünsche ich mir weitere vier gute Jahre für Deutschland – mit der FDP in der Regierung.